Presse

Oskar am Freitag,  Ausgabe 9 – 8.Jahrgang – 10.Juni 2011

Bürgergeld, Kopfpauschale, Bürgerversicherung. Schlagworte, die einem in der aktuellen Diskussion über die Grundversorgung und den Umbau des Sozialversicherungssystems immer wieder begegnen. Aber eigentlich dreht sich alles um eine Frage: Ist Gleichheit gerecht? Nach einer Antwort suchten Studenten der FH Jena bei ihrer Fachtagung zur Sozialpolitik. Oscar-Mitarbeiter Falk Böttger war vor Ort.

Beim Diskutieren: (v. 1.) Student Martin Pietrowski, Prof. Dr. Michael Opielka, Hermann Binkert (CDU) und Dr. Harald Mertes (FDP).

Beim Diskutieren: (v. 1.) Student Martin Pietrowski, Prof. Dr. Michael Opielka, Hermann Binkert (CDU) und Dr. Harald Mertes (FDP).

25. Juli 2006: Dieter Althaus, Ministerpräsident von Thüringen, schlägt die Einführung des „solidarischen Bürgergeldes“ vor. 600 Euro Grundeinkommen soll danach jedem Bürger lebenslang ausgezahlt werden – egal ob Putzfrau oder Konzernmanager. Dieses Konzept vertrat Althaus‘ Vordenker Hermann Binkert (CDU) vergangene Woche bei der studentischen Tagung zur Sozialpolitik: „Ein gerechtes Grundeinkommensmodel gibt Antworten zur Vielschichtigkeit der Gesellschaft.“ Bei dieser Aussage konnte die Erfurter Landtagsabgeordnete Susanne Hennig (Die Linke) nur den Kopf schütteln. Zwischen dem Bürgergeld der CDU oder Hartz IV von Rot-Grün wählen zu müssen, sei ihrer Meinung nach, wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Beides führe nicht zu sozialer Gerechtigkeit: „Es ist einfach nicht gerecht dass alle die gleichen Steuern zahlen.“ Auch Bundestags-abgeordneter Carsten Schneider von der SPD lehnt das Modell der CDU ab: „Ich halte diese Idee für gefährlich, weil Gleichheit für alle letztlich eine Entsolidarisierung zur Folge hat. Denn die Schwächen des Einzelnen werden nicht mehr wahrgenommen und beachtet. Gleichheit sollte sozial-politisch als Chancengleichheit definiert werden.“
Astrid Rothe-Beinlich (Bündis 90/DIE GRÜNEN) war in diesem Punkt der gleichen Meinung. Beide stimmten auch darin überein, dass Mindestlöhne und Lohnabschlüsse notwendig seien, um den Sozialstaat gerechter zu machen. Nur so könne es dieselben Chancen für alle geben. Zu einer Einigung kam man an diesem Tag erwartungsgemäß nicht. Die Debatte wird auch in Zukunft noch für politischen Zündstoff sorgen.
In einem Punkt waren dann aber doch alle Podiumsgäste einer Meinung: Die aktuelle Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland ist definitiv nicht gerecht. Einen konkreten Vorschlag zur Verbesserung dieser Tatsache konnte allerdings keiner der anwesenden Politiker machen.
Außer der Grundsicherung standen auch noch andere Themen zur Diskussion, die Fragen zum Wert von Gleichheit aufwerfen. Braucht man eine Frauenquote? Sollte es gleiche Rechte für Migranten geben? Diese Dinge kamen aber weitaus weniger zur Sprache.
Prof. Dr. Michael Opielka, unter dessen Leitung die Tagung organisiert würde erklärt dies folgendermaßen: „Die Redner sind den Impulsen, die sie aus dem Publikum bekamen, gefolgt. Zur Ausländerintegration gab es nur wenig Beteiligung. Aber Politik lebt davon, dass sich Menschen für ein bestimmtes Thema stark machen.“ Man könnte die Schwerpunktverteilung sogar als einen Spiegel des gesellschaftlichen Interesses betrachten, meint der Sozialwissenschaftler: „Migration spielt in Thüringen bisher eben nicht so eine große Rolle, wie anderswo.“